Wasser, Wälder, Weizen…

Die Great Lakes sind erreicht. Drei Tage folgen wir der Küstenlinie des Lake Huron, dem fünftgrößten See der Erde. Den Trail am Georges Lake in der Nähe der Stadt Sault St.-Marie brechen wir nach der Hälfte ab, die Mücken überfallen uns. Noch am nächsten Morgen können wir uns nur schwer wehren und ergreifen die Flucht vom Campground. Ab jetzt geht es gen Norden.

Wir entschließen uns den Lake Superior auf der nördlichen, längeren Route zu umfahren. Der auch Oberer See genannte ist der zweitgrößten See der Erde. Wieder fahren wir dem Frühling hinterher, die Birken zeigen erst ein zartes Grün und wir tauchen in die borealen Wälder ein. Der Highway 17 schlängelt sich eng an der Küstenlinie des Superiors entlang mit immer wieder wunderschönen Buchten und Ausblicken auf die scheinbare Unendlichkeit des Sees. Der Verkehr nimmt immer mehr ab. Bis zu einer halben Stunde lang ist niemand hinter uns und es kommt uns niemand entgegen. In Blind River finden wir einen kommunalen Stellplatz direkt am See. Die Infrastruktur für Camper in den meisten Dörfern und Städten ist vorbildlich. Wasser und Entsorgung zu finden, noch dazu oft kostenlos, ist kein Problem.

Wir verfolgen die verheerenden Waldbrände. Es spielt sich zwar weiter im Norden ab. Doch es könnte sein, dass wir auf dem Weg nach Winnipeg über die USA ausweichen müssen.

Kurz vor der Kleinstadt Wawa wandern wir einen Trail, der um den Orphan See führt und uns noch dazu einige Kilometer an einem wunderschönen Küstenabschnitt entlang leitet. Natürlich ist auch hier Bärenland, doch außer Spuren begegnen wir Meister Petz nicht.

Auf dem Weg nach Thunder Bay werden die borealen Naldelwälder dominierend. Sie ziehen sich in einem Band um die gesamte nördliche Hemisphäre. Ihre Bedeutung für das Weltklima ist genauso groß wie die des Amazonas Regenwaldes. Manche Wissenschaftler sprechen den borealen Wäldern sogar eine größere Bedeutung zu.

Über hunderte von Kilometern fahren wir nun durch blauen Dunst. Über welch riesige Flächen sich die Brände ausgeweitet haben, wird uns auf der Fahrt nach Thunder Bay bewusst. Kurz vor der Stadt sehen wir unseren zweiten Black Bear, ein staatliches Tier, dass sich von uns in keinster Weise aus der Ruhe bringen lässt. Solange der Highway 17 nach Winnipeg noch offen ist, entschließen wir uns Kilometer zu fressen und fahren 500 km in einem durch. Soweit sind wir an einem Tag bisher noch nie gefahren. Da Lisa das Womo ebenfalls fährt, wechseln wir uns ab. Völlig entspannt und stressfrei erreichen wir unser Ziel und sind in Manitoba angelangt. Wir übernachten beim Winnipeg Gliding Club. Perry, der während der Saison in seinem Womo auf dem Flugplatz wohnt, zeigt uns stolz die Infrastruktur und die Flugzeuge.

Tausende von Kilometern sind wir durch Wälder und an Seen vorbei gefahren, nun dominiert Farmland unsere Fahrt. Weizen, Mais, Raps mit riesigen Farmen. Winnipeg besichtigen wir am nächsten Tag, wir fahren mit dem Womo hinein in die Stadt. Die Architektur des Museum of Human Rights ist atemberaubend. Die Menschen in der Stadt sind auffällig relaxed drauf, doch fallen uns vermeintlich viele Junkies und andere merkwürdige Gestalten auf – na ja, wie wohl in jeder Großstadt dieser Welt!

Manitoba und Saskatchewan werden zu den Great Plains gezählt und haben landschaftlich nicht viel zu bieten. Die Prärie werden wir zügig durchfahren. Regina in Saskatchewan gelegen ist unser nächstes Ziel. Wir besichtigen Downtown und lassen uns in einem Café ein paar Köstlichkeiten schmecken. Nun machen sich die Brände im Norden von Saskatchewan bemerkbar, blauer Dunst überall.

Wir wollen die Farm von Scott und Cathy, Freunde von Gerrit aus seiner Zeit in Kanada, besuchen. Gerrit hat uns angekündigt und als wir an der Farm ankommen, begrüßt uns Scott herzlich. Als erstes besichtigen wir auf dem nahe gelegenen Flugplatz seine drei Flugzeuge. Insbesondere die PA 36 Pawnee, die als Sprüh- und Düngeflugzeug eingesetzt wird, ist ein Flieger für sich. In Deutschland mittlerweile verboten, ist es in Kanada und USA bei den riesigen Flächen kein Problem. Scott und sein Bruder bewirtschaften ihre 9000 ha Farm! gemeinsam mit 6 Mitarbeitern. Sie sind top ausgestattet und die Farm ist in einem blitzsauberen Zustand.

Weiter geht es für uns von nun an straight north.



Aurevoir Québec, welcome Ontario

Unsere letzte Station in Québec ist Montreal. Genannt nach dem inmitten der Stadt liegenden Mont Royal, einem eher bescheidenen  Hügel.

Ein Nachtquartier finden wir in der Nähe eines kleinem Nationalparks etwa 30 km östlich der Stadt, dem Mount St. Bruno. Ein eher anspruchsloser aber landschaftlich schöner Trail führt uns komplett um den “Bruno” herum. Ebenfalls eher ein Hügel. Am nächsten Tag trauen wir uns mit dem Womo in die Millionenstadt und besuchen den botanischen Garten mit riesigen 75 ha. Besonders beeindrucken uns der japanische, chinesische und der indianische Garten. Tagsdrauf nehmen wir die Metro nach Downtown und bewundern im Montreal Museum of Fine Arts u.a. Gemälde von Picasso, Matisse, Toulouse-Lautrec, Degas und Skulpturen von Roudin. Klar, dass man in Quèbec der französischen Kunst zugeneigt ist. Danach tauchen wir in die Untergrundstadt Montreals ab. Insgesamt 34 km kann man hier unter der Erde durch Downtown bummeln und sich dem Konsum und den kulinarischen Genüssen in Cafés und Restaurants hingeben. Um den Montrealern den harten und langen Winter angenehmer zu gestalten, wurde diese “Stadt unter der Stadt” geschaffen.

Lets Go West Richtung Ottawa heißt es am nächsten Tag. Im Vorort Leitrim finden wir einen ruhigen Übernachtungsplatz an einem Freizeitgelände. Downtown Ottawa erreichen wir am Morgen mit der neu gebauten futuristischen S-Bahn. Die historischen Regierungsgebäude liegen sämtlichst in Downtown auf dem sogenannten Parliament Hill. Vieles ist heute abgesperrt, König Charles ist da und hält die Thronrede. Ottawa hinterlässt bei uns den Eindruck einer charmanten, lebenswerten Stadt. Auf der gegenüberliegenden Seite des St.-Lorenz-Rivers liegt Gatineau eine Kleinstadt mit einem riesigem Park. Lisa geht wandern, ich packe mein Mountainbike aus und drehe eine Runde.

Der Algoquin Nationalpark ist unsere nächste Station. Auf dem Weg dorthin plötzlich ein Warnschild Pferd mit Kutsche und deutliche Spuren am Straßenrand. Gleich kommt mir mein Besuch vor mehr als 30 Jahren bei den Amish People in Pennsylvania in Erinnerung. Es folgt ein Hinweisschild auf einen Hofladen, dem wir folgen. Auf dem Hof begrüßt uns freundlich eine Frau mit Haube und langem, weitem Kleid. Das angebotene Gemüse ist von außergewöhnlicher Qualität. Ich sehe mich auf dem Hof um. Hinter der Scheune läuft eine Pumpe, die offensichtlich die Wasserversorgung sicherstellt. “Sie seien Mennoniten und keine Amish”, wie mir der Hausherr erläutert. Nun gut…

Im Algoquin angekommen, grillen wir am Lagerfeuer leckere Schweinefiletspieße, bevor wir uns den Trail für den nächsten Tag aussuchen. Das Regenwetter am Morgen lässt uns dann Highway-Kilometer machen und die geplanten Trail-Kilometer verschieben. Nach der Besichtigung von Huntsville fahren wir 60 km durch die Wildnis geradewegs zum “Ende der Welt” Kimmney-Bay. Wir genehmigen uns im Hafen the “World Best Fish and Chips” und fahren die 60 km zurück in die Zivilisation. Die Great Lakes warten.

Die Technik


funktioniert soweit gut. Strom liefert die erweiterte Solaranlage mehr als genug. Die Luftfederung bewährt sich bei den oft miserablen Straßen. Alles gut.

Der große Strom

Fast 3000 km fließt der St.-Lorenz-Strom seiner Mündung in den St.-Lorenz-Golf entgegen. Durch die großen Seen teils unter anderem Namen. Ab Quèbec-City übernehmen langsam das Salzwasser sowie die Gezeiten die Oberhand. In Rivérie du Loup nehmen wir die Fähre an das Nordufer. Die 80-minütige Überfahrt ist heftig, das Wetter verschlechtert sich zunehmend.

Es regnet drei Tage fast ununterbrochen. Von der Landschaft der Charlevoix und dem Nationalpark Grand-Jardin sehen wir leider nicht viel. Wir entschließen uns, lieber gleich Quèbec-City anzusteuern. Auf dem Weg dorthin sehen wir uns noch ein besonderes Naturschauspiel  an – die Montmorency Fälle. Zwar sind diese bei weitem nicht so breit wie die Niagara Fälle aber mit 83 m Fallhöhe 30 m höher als ihr großer Bruder bei Toronto.

Die Welterbe Stadt Québec-City bringt wohl am meisten von Europa nach Nordamerika. Klein Paris wird diese wegen ihrer französischen Sprache und Lebensart genannt. Die auf einem Hochplateau thronende Stadt besitzt die einzige komplett erhaltene Stadtmauer Amerikas. Am berühmtesten aber ist wohl das alles überragende Luxushotel Frontenac in der Haute-Ville mit der Terrasse Dufferin, über die man auch in die Zitadelle gelangt. Die Altstadt hat wirklich einen eigenen Charme. Überall begegnet man dem Nationalstolz der Frankokanadier, die in ihrem Herzen doch eher Franzosen sind. Einiges fällt uns noch auf in der Provinz Quebec: Deutlich weniger SUV und Pick-Up sieht man auf den Straßen und diese sind deutlich besser als in den bisher bereisten Provinzen. Die Menschen sind bei weitem sportlicher und schlanker, was wohl zum einen an der besseren Ernährung und zum anderen an dem ausgewogeneren Warenangebot liegt.

Autofahren in Kanada

Allenthalben entspannt und voller Respekt. Die Straßen sind in 9 Kategorien eingeteilt, wobei 9 Schotter bedeutet. Die Straßenzustände teils auch auf den Highways sind oft miserabel. Das Vorankommen allerdings ist Top und nicht mit deutschen Autobahnen zu vergleichen. Stellt man den Tempomat auf 110 und fährt zwei Stunden ist man mindestens 190 km weiter. Alles fließt… An die 100 km/h Begrenzung hält sich niemand, selbst die LKW fahren grundsätzlich 110.

Auf der Chemin de Roy (Königsweg), die am Nordufer des St.-Lorenz-Stromes Ouébec-City mit Montreal verbindet, bummeln wir durch eine reizvolle Landschaft. Die Chemin wurde 1783 fertiggestellt und sollte die Städte am Strom verbinden. Wir biegen kurz vor Trois-Rivéries in Richtung Norden ab und erreichen den La-Maurice Nationalpark. Eine Bergtour zum Lac de Solitaire belohnt uns mit tollen Ausblicken auf den See. Auf dem Weg nach Montreal nehmen wir einen kleinen Umweg in Kauf und steuern einen Segelflugplatz in Saint-Dominique an. Leider ist kein Flugwetter. Nette Gespräche mit den anwesenden Mitgliedern folgen, die Einladung am Platz zu übernachten, nehmen wir gern an.

Küste ohne Ende

Cape Breton wird umrundet vom Cabot Trail einer rund 400 km langen Küstenstraße. Sie soll die schönste Nordamerikas sein. Die Straße führt durch den Cape Breton Highlands Nationalpark.

Kanadas Nationalparks

45 an der Zahl, die zusammen mehr als die Fläche Deutschlands ausmachen. Die Parks sind perfekt organisiert. Die Ranger verstehen keinen Spaß bei Verstößen gegen die Regeln, gleichzeitig sind sie äußerst hilfsbereit. Wild campen in den Parks ist verboten, außerhalb wird es toleriert. Die Campgrounds sind großzügig angelegt und überwiegend gut ausgestattet. Sogar Holz fürs Lagerfeuer wird meist bereit gestellt, was wir gleich zum Würstchen grillen nutzen. Ein Lagerfeuer lassen sich die Kanadier nicht verbieten. Viele Trails jeglichen Schwierigkeitsgrades laden zum Wandern ein. Offiziell öffnen die Nationalparks erst am 16. Mai, man kann sie aber schon vorher nutzen. Bis 16. Mai kostenlos. Danach fallen für die Nationalparks und Campgrounds eine Gebühr an. Die Campgrounds werden mittels eines Umschlages bezahlt, in den man die Gebühr in bar hinterlegt und in eine Art Briefkasten einwirft.

Cape Breton ist dünn besiedelt. Man lebt vom Tourismus und der Fischerei. Vor der Küste befinden sich die reichsten Fanggründe für Lobster (Hummer). Überall werden sie zum Verkauf angeboten, besonders fangfrisch in den Häfen.

Obwohl zum Beispiel Halifax auf der geographischen Breite von Mailand liegt, sind wir gefühlt im April unterwegs. Die Bäume zeigen erst zarte Knospen und kein Grün. Die Nachttemperaturen befinden sich im tiefen einstelligen Bereich. Wir erleben also zum zweiten Mal den Frühling.

Die Hopewell Rocks und der Peticodiac River, im Volksmund Chocolate River genannt, sind unser nächstes Ziel. Der Fluss ist der mit dem höchsten Tidenhub weltweit. Er schiebt in seiner immer braunen Brühe eine zwei Meter hohe Welle bei einsetzender Flut vor sich her. Besonders gut lässt sich dieses Schauspiel in der Stadt Muncton beobachten.

Wir erreichen Quebec, die größte Provinz Kanadas. Man spricht Französisch, die englischen Straßenschilder verschwinden völlig. Köstliche französische Croissant erweitern unseren Speiseplan, lecker. Die Gaspè Halbinsel oder Gaspesiè wird eingerahmt vom Sankt-Lorenz-Golf. Unsere zweite Bergtour führt uns auf den Saint Joseph, einen Pilgerberg direkt an der Küste gelegen mit tollem Panoramablick. Wir durchqueren die fast menschenleere Gaspesiè und übernachten im Nationalpark. Leider verhindert ein Gewitter unsere nächste Bergtour und wir fahren weiter und erreichen bei Ste-Anne-des-Monts den Sankt-Lorenz-Strom.

“Sie haben ihr Ziel erreicht”

Zumindest das Erste. Perfekter hätte alles nicht funktionieren können. Der Flug über den Nordatlantik war trotz einer kleinen 737-800 überraschend angenehm. Die Formalitäten in Halifax sind schnell erledigt, so dass wir unser Womo im besten Zustand im Hafen abholen können.

Wasser fassen, Gas und diverse Utensilien, die wir im nicht einführen durften, einzukaufen, beschäftigte uns einen ganzen Tag. Die Besichtigung von Halifax am nächsten Tag ist natürlich Pflicht, obwohl ein wenig enttäuschend. Um die kleine erhaltene Altstadt herum, gruppieren sich Hochhäuser im 70er Jahre Stil. Allerdings ist ein Spaziergang an der Küstenmeile sehr interessant

Am nächsten Morgen klopft jemand an unsere Tür. Hartmut aus Nagold im Schwarzwald mit Beverly seiner Frau. Er ist seit 1997 in Kanada, kommt auch gern zu Besuch nach D. Zurückkehren würde Hartmut allerdings nicht, wobei er klar sagt, dass in Kanada sicher nicht “alles Gold ist, was glänzt”. Er gibt uns den Tip die Lindsay Lake Farm zu besuchen, ein Ehepaar aus Niedersachsen würde dort eine Bisonzucht betreiben.

Die Farm liegt auf unserem Weg Richtung Cape Breton, so daß wir den kleinen Umweg gern in Kauf nehmen. Jan und Christine begrüßen uns herzlich. Sie sind 2019 ausgewandert, haben ihren Hof in Einbeck (Niedersachsen) verkauft und sich die Lindsay Lake Farm 1000 ha samt See in Nova Scotia gekauft. Seit letztem Jahr nennen sie eine Herde Bisons ihr Eigen. Heuer wurden bereits die ersten neun Kälber geboren. Gleichzeitig setzen sie auf Fremdenverkehr und haben einen kleinen Campground angelegt, auf dem wir direkt neben den Bisons übernachten.

Am nächsten Tag erreichen wir den Cape Breton Highlands Nationalpark. Wir wandern den Coving Trail, der an einem Wasserfall endet. Auf dem Rückweg sehen wir unseren ersten Schwarzbären.

Unser Abenteuer beginnt

Nach einem halben Jahr Planung gibt es nun kein Zurück mehr! Morgen startet unsere große Reise.

Unser Womo wurde am 14.4. von Hamburg aus verschifft und ist soeben in Halifax pünktlich angelandet. Wir fliegen am Donnerstag von London aus nach Halifax. Nachdem wir am Freitag bei der Spedition und dem Zoll die Formalitäten erledigt haben, können wir unser Zuhause für die nächsten 6 Monate hoffentlich unversehrt im Hafen abholen.

Zu unserer Webseite: Wann immer möglich werden wir hier Beiträge sowie Bilder in unserer Bildergalerie posten.
Oben im Menue findet ihr den Link Der Ruf der Wildnis, wo nähere Informationen zu unserer Reise zu finden sind.
In der rechten Seitenleiste das Archiv der Beiträge und die Möglichkeit seine Mail zu hinterlassen, um über neue Beiträge informiert zu werden. “Wo sind wir gerade” zeigt unsere gefahrene Strecke und Standort an. Darunter erscheinen die “Neuesten Kommentare” und “Neuesten Beiträge”. Im Übrigen wird unsere Seite am besten im PC oder Tablet dargestellt.
Einige Zeit werden wir ohne Mobilempfang sein, so dass unser Blog nicht immer aktuell sein wird.

Liebe Grüße und bleibt gesund, Lisa & Dietmar