Tanz auf dem Vulkan

Zum Abenteuer gehört immer ein wenig Risiko. So haben wir es gewagt, die Going-to-the-Sun-Road im Glacier National Park zu fahren. Auch im Vertrauen darauf, dass die Amerikaner meist einen Hang zur Übertreibung haben. Mit grandiosen Ausblicken in tiefe Täler, Gipfelimpressionen und leider schmelzenden Gletschern schlängelt sich die Straße immer dicht am Abgrund entlang. Kitzelig wurde es nur einmal, als uns einer der Besucherbusse entgegen kam. Bis 2030 soll es im Nationalpark keine Gletscher mehr geben, trotzdem bleiben die teils über 3.000 m hohen Berge sicher ein Anziehungspunkt. Wir waren heute wohl das einzige Womo, dass die Road passiert hat, obwohl wir auf Korsika schlimmere Straßenverhältnisse erlebt haben.

Weiter geht die Reise durch Montana nach Süden. Kahle, verdörrte Prärielandschaft prägt hier das Land. Die wenigen Ranches können ohne künstliche Bewässerung ihre Rinder nicht mehr durchbringen. Allerdings führen die wenigen Flüsse und Seen kaum noch Wasser. Überall greift die Verbuschung der Weideflächen um sich. Die fehlenden Niederschläge werden zu einem immer größeren Problem für den Getreideanbau und Viehwirtschaft in Kanada und den USA. Gerade in den Great Plains, der Kornkammer der USA, wird verstärkt mit Bewässerung gearbeitet. Die Folge sind austrocknende Flüsse und sinkende Grundwasserstände.  

“Don´t go to the US”, wie oft hörten wir diese Bemerkung in Gesprächen mit Kanadiern, als wir unsere Absicht kundtaten, den Yellowstone Park zu besuchen. Natürlich ließen wir uns nicht davon abhalten. Und tatsächlich –  wir achten insbesondere auf kanadische Autokennzeichen in den zwei Wochen USA und – sehen lediglich drei davon. Die Kanadier meiden ihre Nachbarn, wo es nur geht.

Wir erreichen den Yellowstone National Park von Idaho aus über seinen West Eingang. Mit seiner riesigen Magmakammer in 8 km Tiefe gehört der Yellowstone in die Gruppe der Supervulkane. Tektonisch instabil und mit der weltweit größten Dichte an Geysiren auf einer durchschnittlichen Höhe von 2.400 m liegt der Park mit 9.000 km² Fläche in den Rockies. Er ist der älteste National Park der Welt und zieht jährlich 5 Mio. Besucher in seinen Bann. Auch wir werden Teil der Menschenmassen, die sich allerdings selbst in der Hauptsaison gut verteilen. Die fünf  Campgrounds (CG) sind im August schon ein Jahr im Voraus ausgebucht. Nur Bridge Bay, ein CG am südwestlichen Ende des Parks, hat noch Kapazitäten frei. Dieser wird unsere Ausgangsstation und wir buchen schon gleich für drei Tage.

Es sind nicht die landschaftlichen Schönheiten oder das Wildlife des Parks, sondern die 10.000 heißen Quellen und 500 Geysire, die begeistern. Natürlich darf Old Faithful, der berühmteste unter den Geysiren, auf unserer Tour nicht fehlen. Im Gegensatz  zu den vielen Tagesbesuchern, nehmen wir uns Zeit und konzentrieren uns weniger auf die 5000 Bisons im Park als auf das nach oben beförderte Erdinnere. Die Farbspiele der brodelnden, fauchenden, glucksenden und zischenden Geysiere, Quellen, Fumarolen und Schlammtöpfe hatten wir uns nicht annähernd so spektakulär vorgestellt.

Wir müssen zwar abends zu unserem Campground zurück, können die Touren aber so legen, dass wir in der Lage sind, sämtliche Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Das absolute landschaftliche Highlight ist der Yellowstone Grand Canyon, den wir am letzten Tag im Park besuchen. Noch einmal geht es danach weiter in Richtung Süden zum Grand Teton Nationalpark, der sich an den Yellowstone in den Rockies anschließt. Jackson ist der Hauptort des Teton Nationalparks und gleichzeitig der südlichste Punkt in den USA unserer Reise. Jackson ist eine quirlige Westernstadt. Überall Männer und Frauen in Cowboykluft. Es herrscht eine tolle Stimmung in den Straßen, Saloons und Steakhäusern. Es wirkt nicht aufgesetzt sondern richtig authentisch. Am nächsten Tag fahren wir den Teton Pass hinauf und sind in Idaho. Nach einer Bergtour in den Teton Mountains geht es wieder nach Norden.

On the Rocks

Wir verlassen Vancouver Island. Von Sydney nach Tsawassen führt die Fährfahrt durch die vorgelagerten Inseln von Vancouver. In der Ferne wird der Mount Baker sichtbar. Ein erloschener Vulkan mit über 3200 m Höhe und schneebedecktem Gipfel. Noch einmal sehen wir Vancouver in seiner außergewöhnlichen Lage, diesmal vom Meer aus. In der Ferne erscheinen die Rockies, eine tolle Szenerie. Südlich an Vancouver vorbei treffen wir wieder auf den Trans Canada Highway (TCH), der uns in die Rocky Mountains führt – “on the Rocks”.

An den Kleinstädten Hope und Merrit vorbei, erleben wir unsere heißesten Tage mit 38°C. Wir passieren völlig ausgetrocknetes Farmland. Lediglich 250 mm Niederschlag fällt hier pro Jahr. Viele Farmer haben bereits aufgegeben. Überall steht Farmland zum Verkauf. Die vom Pazifik heranströmenden Luftmassen regnen sich entweder schon an den Coast Mountains ab oder an den nahen Rockies. Der durch den Klimawandel fehlende Schneefall verstärkt das Problem noch. Erst hinter Kammlops wird es wieder grüner.

Auf unserer Reise 2017 durch die kanadischen Rockies konnten wir den kanadischen Glacier Nationalpark aus Zeitmangel nicht besuchen, was wir nun nachholen. Bis zu 9 m Schnee fallen in diesen Bergen. Doch auch diese Schneemassen können den Schwund der Gletscher nicht verhindern. Über 140 davon beheimatet der Park, von denen allerdings kaum mehr etwas zu sehen ist. Man muss schon in das Hinterland wandern. Wir steigen zum Illecillewaet Gletscher auf, wo uns leider heftiger Regen zum schnellen Abstieg zwingt. Abends erreichen wir Revelstoke. Der Mount Revelstoke gilt als Wildblumen Paradies. Ein leichter Trail führt in die Gipfelregion, wo die Blütenteppiche in allen Farben schillern. Typisch für die Wetterlage kündigt sich von Osten ein Gewitter an, das uns frühzeitig zum Rückzug zwingt. Den Abend genießen wir in Revelstoke, gehen essen und lauschen der dargebotenen Country Live Musik. Über den Rogers Pass geht es am nächsten Tag weiter. Über den Pass führt eine Schienentrasse, durch die kanadische  Eisenbahngeschichte geschrieben wurde. Obwohl man 1988 wegen der Witterungsverhältnisse den Pass durch den Mount MacDonald Tunnel umging. Mit 14,7 km ist es der längste Eisenbahntunnel Nordamerikas.

Die Purcell Montains und der Columbia River begleiten uns auf der Weiterfahrt nach Süden. In der Kleinstadt Invermere bleiben wir zwei Tage und stellen fest, dass es viele Deutsche, Schweizer und Österreicher hierher verschlagen hat. Einen deutschen Bäcker, der seit den 60er Jahren in Invermere ansässig ist, sowie einen Metzger findet man ebenfalls. Wir fahren hoch in die Purcell Mountains und nehmen den Trail zum Toby Creek. Es soll sich eine Grizzly Mama mit zwei Kleinen in der Region herumtreiben, so dass wir nicht zu tief in die Wildnis eintauchen und uns frühzeitig auf den Rückweg machen. Am nächsten Tag nimmt Lisa den Sessellift auf den Panorama Mountain und wandert ein wenig in der Gipfelregion, während ich den Conachy Creek Trail zur Bergstation der Seilbahn hinauf steige.

Der örtliche Segelflugverein von Invermere verleiht laut ihrer Webseite Segelflugzeuge. Auf dem Flugplatz treffen wir auf drei Mitglieder. Enttäuscht müssen wir aber feststellen, dass sie keinen Flugbetrieb zustande bringen, so dass wir wenig erfreut weiterziehen.

Bevor wir den Crowsnest Pass hinauffahren, kommen wir an “Frank Slide” vorbei. 82 Mio. m³ Berg sind hier 1903 abgebrochen und ins Tal gestürzt. Das Dorf Frank wurde zum Grab für 68 Menschen, die nie geborgen wurden. Auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit bekommen wir einen Geheimtipp. Einen Campground, der nirgendwo verzeichnet, aber ein wenig trickreich zu erreichen ist. Wir wagen die Fahrt und werden mit einem sehr schönen Platz an einem See belohnt.

Die Waterton Mountains an der Grenze zu den USA sind von mehreren Waldbränden in den letzten Jahren gezeichnet. Wie nachhaltig solche Katastrophen aus Teilen eines Naturparadies eine Ödnis machen können, erleben wir hier. Den Trail, den wir wandern wollten, gibt es nicht mehr! Wir passieren die Grenze zur USA. Mit seinem südlichen Nachbarn, dem Glacier Nationalpark der USA bildet der Waterton Lakes Nationalpark den International Peace Park. Gemeinsam sind sie Teil des UNESCO Weltnaturerbes.

Die 80 km lange Hochgebirgsstraße Going-to-the-Sun-Road durchquert den Glacier Park spektakulär. Wegen überhängender Felsen und engsten Straßenverhältnissen sind nur Fahrzeuge unter 21 Fuß Länge und 8 Fuß Breite zugelassen. 8 Fuß schaffen wir, länger als 21 Fuß sind wir allerdings!? Ob wir es gewagt haben, erfährt ihr demnächst…

Reif für die Insel

Wir nähern uns Whistler, dem Wintersportort in den Coast Mountains. Es sind Ferien. Whistler hat es geschafft, indem alles aufs Mountainbiking und Bergwandern ausgerichtet ist, während des Sommers im Geschäft zu bleiben. Die Touristenmassen fluten die Stadt. Wir beschließen, die Seilbahn bis zur Mittelstation zu nehmen. Die 400 hm bis zum Gipfel auf 2.640 m bewältigen wir auf einem eher langweiligem Trail. Allerdings erwarten uns tolle Ausblicke weit über die Whistler Mountains hinaus. Bergseen, Gletscher und Berge in allen Schattierungen. Am Abend fahren wir hoch zum Olympiagelände, wo 2010 die Biathlonwettbewerbe stattfanden. Der Parkplatz bietet eine ruhige Übernachtungsmöglichkeit. Spät besucht uns noch ein Schwarzbär, der seelenruhig das Gelände durchstreift.

Bevor wir Vancouver erreichen, übernachten wir in Sqamish auf einem bemerkenswerten Campground. Eingebettet in einen tropisch anmutenden Küstenregenwald hat man ihn naturbelassen. In Vancouver steuern wir einen stadtnahen Campground an, von dem aus Downtown per S-Bahn erreichbar ist. Kanadas Metropole an der Pazifikküste gilt als eine der grünsten und schönsten Städte Nordamerikas und besticht mit ihrer einzigartigen Lage am Pazifik zu Füßen der imposanten North Shore Mountains. Regelmäßig erreicht sie im Ranking der lebenswertesten Städte der Welt Spitzenplätze. Unser Eindruck ist ein wenig gespalten. Jeder Stadtteil besitzt sein eigenes kleines Downtown mit vielen Hochhäusern. Dazwischen viel Grün, so dass die Stadt eher wie ein Konglomerat aus mehreren Städten wirkt. Der außergewöhnlichen Lage aber tut das keinen Abbruch. Mittlerweile besteht die Bevölkerung Vancouvers zu 65% aus Chinesen. Viele Schilder, Hinweise, Speisekarten etc. sind zusätzlich in chinesischer Sprache gehalten.

Wir besichtigen die Waterfront und den Stadtteil Gastown mit seinen viktorianischen Gebäuden und der legendären Dampfuhr. Lange beobachten wir das Treiben im Hafen, insbesondere die Wasserflugzeuge. Es ist bemerkenswert, wie der Hafenverkehr mit den startenden und landenden Flugzeugen, dazwischen Fähren, Schiffe und Boote, ohne koordinierende Stelle funktioniert. In Deutschland wäre dies wohl undenkbar.

Am nächsten Tag bringt uns die Abendfähre hinüber nach Vancouver Island. 450 km lang und bis zu 140 km breit mit einer Küstenlinie von 3440 km erstreckt sich die Insel 50 km vor der Küste Vancouvers im Pazifik. Bis zu 2.150 m hoch durchziehen Gebirgszüge, mit Bergseen, Gletschern und Wasserfällen die Insel. Warme regenarme Sommer und milde Winter kennzeichnen das Klima. Dabei können an der Westküste 3.000 mm Regen pro Jahr fallen. Dies wiederum bildet die Grundlage für die außergewöhnliche Vegetation der fast undurchdringlichen Regenwälder.

Wir beschließen, durch den Pazifik Rim Nationalpark zunächst an die Westküste zu fahren. Etwa auf halber Strecke besichtigen wir Cathedral Grove mit den mächtigsten Baumriesen der Insel. Bis 800 Jahre alte Riesenlebensbäume, Douglasien und Hemlocktannen füllen den Regenwald. Die größte Douglasie misst 80 m Höhe und einen Umfang von 9 m. Wirklich beeindruckend! An der Westküste besuchen wir die Kleinstadt Ucluelet kurz Ukee genannt. Der Wild Coast Trail führt uns zwischen windgebeugter Vegetation und grandioser Felskulisse bis Artist Loops. Auf dem 10 km langen Sandstrand verlieren sich selbst in der Hochsaison die Menschen. Zurück in Ukee finden wir einen Parkplatz zum Übernachten nahe einer Bar, in der wir essen. Die tolle Stimmung wird durch Live Musik dreier Gitarristen untermalt. Am nächsten Morgen meint Lisa, sie sehe aus wie eine Vogelscheuche und benötige einen Frisör. Es fällt mir schwer, dem zu widersprechen.

Tofino, unsere nächste Station an der Westküste, gilt als Surfparadies und Touristenhochburg. Schon die Parkplatzsuche in dem 2.500 Seelen Ort ist chaotisch. Wir halten uns in der überfüllten Stadt nicht lange auf und nehmen Kurs zurück an die Ostküste. Der Parkplatz an Tofinos kleinem Flughafen bietet eine ruhige Übernachtungsmöglichkeit. Lisa unternimmt gerade einen kleinen Abendspaziergang als plötzlich mein Handy klingelt. “Da ist ein Bär am Waldrand!”, höre ich Lisa. Als ich aus dem Wohnmobil komme, sehe ich den Bären wie er langsam im Wald verschwindet. Wir sind uns einig, dass es ein Grizzly war, von denen es nur sehr wenige auf der Insel gibt und wir das Riesenglück hatten, einen zu Gesicht zu bekommen.

Mount Washington im Strathcon Nationalpark steuern wir als nächstes an. Lisa fährt mit dem Sessellift auf den Gipfel, während ich auf einem Trail nach oben steige. Was für ein grandioser Ausblick erwartet uns! Der Pazifik und die schneebedeckten Coast Mountains im Osten. Die Island Range mit ebenfalls schneebedeckten Gipfeln im Westen. Auf einem ruhigen Campground im Nationalpark besichtigen wir eine Fischleiter und sehen die ersten Lachse aus dem Pazifik in ihre Laichgründe an den Oberläufen der Flüsse schwimmen, wo die Bären schon auf sie warten.

An der Ostküste entlang fahren wir nach Viktoria, das am südlichen Zipfel der Insel liegt. Der Name erinnert an die britische Königin, die Architektur und die roten Doppeldeckerbusse an London. Rund um den Hafen herrscht geschäftiges Treiben. Das wohl auffälligste Gebäude ist das Parlament der Provinz British Columbias, deren Hauptstadt Viktoria ist. Im Gegensatz zu Vancouver hat sich Viktoria in Downtown die vielen viktorianischen Gebäude bewahrt, was die Stadt irgendwie gemütlich macht. Chinatown ist allerdings mit vielen anderen Chinatowns austauschbar und für uns weniger interessant.

Noch einmal geht es an die Westküste nach Port Renfrew. Der Regenwald hat es uns angetan, so dass wir diesen noch einmal auf der Fahrt nach Lake Cowichan geniessen. Im gleichnamigen Ort finden wir einen Schlafplatz auf dem Parkplatz des Sportgeländes. Morgens um 5 Uhr werden wir durch ein Geräusch unsanft geweckt. Die Beregnung des Rasenplatzes hat sich automatisch eingeschaltet und eine Regendüse ist falsch eingestellt. Dieser erwischt uns voll. Nun ja, kostenlose Übernachtung inklusive Autowäsche!

Heiss gebadet…

In Watson Lake müssen wir uns entscheiden. Entweder auf dem selben Weg zurück über den Cassira Highway an den Coast Mountains vorbei Richtung Vancouver. Oder wir fahren die östliche Route auf dem Alaska Highway durch die nördlichen Rockies. Das Wetter, in den Coast Mountains ist Dauerregen angesagt, erleichtert uns die Entscheidung für den Alaska Highway.

Der Alaska Highway wurde 1942 als Landverbindung der USA mit Alaska vom Militär durch die kanadische Wildnis in nur 10 Monaten gebaut. Heute beträgt seine Länge 2132 km. Die Routenführung folgt meist alten Indianerpfaden. 1948 wurde er für die öffentliche Nutzung freigegeben und stellt heute die wichtigste Verbindung in die nördlichen Regionen des Yukons und der Northwest Territories dar.

Ab Fort Nelson geht es südwärts. Der 2.500-Seelen-Ort hängt am Tropf des Staates und verliert jedes Jahr fünf Prozent seiner Einwohner. Nicht verwunderlich 500 km im Umkreis nichts als Wildnis. Erfreut sind wir von der Begegnung mit zwei Schwarzbären und zweier Bisonherden. Die Bisons weiden seelenruhig auf den breiten Grasflächen neben dem Highway. Der Campground am Liard River hält eine Besonderheit bereit – die Hot Springs. Kaum dass ich das Wohnmobil eingeparkt habe, packt meine “Mitreisende” ihre Badesachen und verschwindet: “Du kommst ja nach…!” Ob ich mir den “Elfentümpel” wirklich antue, weiß ich allerdings noch nicht. Schon die Indianer bzw. First Nations, wie sie offiziell genannt werden, kannten die Quellen. Plötzlich spricht mich jemand auf Deutsch an. Ich komme mit Alex ins Gespräch. Er ist 2005 als Jugendlicher mit seinen Eltern nach Kanada gekommen und wohnt mit seiner Frau und sechs Kindern 750 km weiter südlich in Fort St. John. Sie verbringen an den Hot Springs im Wohnwagen ihre Ferien. Er erzählt viel vom Leben in Kanada. Die gebratenen Tauben fliegen auch hier nicht durch die Luft. “Mit einem “nine to five Job” verhungerst du zwar nicht, aber um gut zu leben, braucht es entsprechendes Engagement,” so sein Resumee.

Früh sind wir am nächsten Tag wieder auf dem Highway. Bald müssen wir an den verheerenden Waldbränden des Frühsommers vorbei kommen, die uns damals zu dem Umweg nach Norden zwangen. Bereits von Weitem sehen wir verkohlte Stämme und verbrannte Erde. So weit das Auge reicht. Fast zwei Stunden mehr als 100 km fahren wir durch diese trostlose Landschaft. Wie schnell aus einer Traumlandschaft ein Alptraum werden kann!

In Fort John geht es auf Westkurs durch ein anderes Landschaftsbild. Der Peace River schlängelt sich durch ein von Gletschern geformtes tief eingeschnittenes Tal. 1964 wurde der Bennet-Staudamm fertiggestellt und es entstand der Willison Lake, der mit 172 km² flächenmäßig größte Stausee der Welt. Seine Kraftwerke erzeugen 30% des in Britisch Columbia benötigten Stromes.

In Prince George steuern wir direkt Canadian Tire an, ebenfalls eine kanadische Ikone. Das Paradies für Schrauber, Hausfrauen, Angler, Camper etc. Man stelle sich Karstadt, Obi und ATU in einem vor! Es gibt fast nichts, was es nicht gibt und falls doch, wird es kurzfristig besorgt. So langsam wird bei unserem WoMo ein Ölwechsel fällig. Da zwei Ölfilter zu meinem mitgebrachten Ersatzteillager gehören, geht es fix, Termin in einer Stunde, das war’s!

Barkerville, unsere nächste Station, erreichen wir im strömenden Regen. Es war ab 1863 der Hauptort des Cariboo-Goldrausches in British Columbia. Sprunghaft stieg die Bevölkerung auf über 5.000 an, Barkerville wurde der größte Ort nördlich von San Francisco und westlich von Chicago. Nach einem Brand 1898 wurden 90 Gebäude restauriert und wieder aufgebaut, die heute noch zu besichtigen sind. Eigentlich wollten wir hier oben übernachten, doch das schlechte Wetter nutzen wir, um ein wenig Strecke Richtung Whistler zu machen. Nach drei Stunden Fahrt haben sie uns wieder, die schneebedeckten Gipfel der Coast Mountains.

Top of the World

Dawson City, Klondike, Yukon, Makenzie und Jack London. Oft hat der Junge aus Ohlendorf von der weiten Welt und diesen Namen geträumt! Die Zeit scheint stillzustehen in Dawson. Gleich kommt Jack London um die Ecke, könnte man meinen. Die Stadt hat sich vieles bewahrt. Mehr als die Hälfte der Häuser aus der Goldrauschzeit stehen noch, wenn auch der auftauende Permafrostboden den Erhalt immer aufwändiger gestaltet. Dawson wirkt wie ein belebtes Museumsdorf. Vor der Stadt fährt man heute noch kilometerweit an den Geröllhalden der Goldsucher vorbei, in denen Glück und Unglück gleichermaßen steckt. 1897 nahm die Einwohnerzahl innerhalb weniger Monate von 300 auf 30.000 zu. Derzeit leben ganzjährig 300 Menschen in Dawson.

Am nächsten Tag nehmen wir die Fähre über den Yukon Richtung Alaska. Kostenlos und Baujahr 1962. Na ja, sie hat sichtlich Mühe gegen die starke Strömung des Yukons. Auf- und Abfahrt sind nicht etwa betoniert, sondern nur geschottert. Es steht auf jeder Seite ein Radlader bereit, der einen bei Problemen gleich an den Haken nimmt. Irgendwie wirkt alles nach Pionierzeit.

Der Top of the World Highway, so heißt er wirklich, ist fast durchgehend Schotter. Die Landschaft kann man durchaus als Schwarzwald XXL bezeichnen. Vollständig bewaldet mit bis zu 800 m tiefen Schluchten. Nach Norden bis zum Arktischen Ozean 1500 km völlig menschenleere Wildnis. Wir erreichen Chicken, der einzige Lichtblick in dieser Region. Im Sommer von 120 Menschen bewohnt, den Winter über nur zwei Bewohner, der Postbeamte und der Bürgermeister. Der Ort ist für Alaska Reisende Kult! Es gibt eine urige Kneipe und einen Andenkenladen, der mit allerlei Trödel die Durchreisenden bedient. Wir genehmigen uns zwei alaskanische Bierchen und übernachten kostenlos im Hinterhof der Kneipe. “Free Camping”

Am nächsten Tag in dieser Gott verlassenen Gegend die Grenze zur USA. Wir hatten von Horrorgeschichten gehört. Kühlschränke wurden durchsucht, Lebensmittel insbesondere Eier beschlagnahmt etc. Nichts dergleichen, uns erwarten äußerst freundliche Grenzer, die wahrscheinlich froh sind, endlich mal wieder ihren Job tun zu dürfen. Die übliche Prozedur. Biometrischer Abgleich unserer Reisepässe, Fingerabdrücke beider Hände. Wo es denn hingeht? “Have a nice trip”, das war´s!

Wir sind in Alaska. Der Top of the World Highway geht in den wohltuend asphaltierten Taylor Highway über. Nach gut drei Stunden erreichen wir Tok, das Tor nach Alaska. Nachdem wir 2019 vier Wochen Alaska erleben durften, ist die Versuchung nicht allzu groß, den größten Bundesstaat der USA wieder zu sehen. Ein anderes Mal!

Einen Car Wash in Tok nutzen wir, um unserem völlig verdreckten Gefährt etwas Gutes zu tun. Neben uns waschen zwei Männer mit langen Bärten gemeinsam mit drei Jungs ihr Wohnmobil. Wir kommen ins Gespräch. Es sind Mennoniten, von der moderneren Sorte. Sie betreiben eine Hühnerfarm und nutzen auf dieser drei Fendt Schlepper.

Wir nehmen den Alaska Highway unter die Räder und passieren kurze Zeit später wieder die Grenze zu Kanada. Die Wrangell St.Elias Mountains beheimaten das größte Eisfeld außerhalb der Arktis. Atemberaubende Landschaften verbinden sich auf der kanadischen Seite mit dem Kluane Nationalpark zu einem UNESCO Weltnaturerbe. Ab Haines Junction biegen wir in eine 240 km lange Sackgasse nach Haines ein, in der Hoffnung, eine Fähre nach Skagway zu bekommen. So toll die Landschaft auf den 240 km ist, so heruntergekommen stellt sich Haines dar. Eine Fähre geht erst wieder in drei Tagen und ein Platz ist nicht garantiert. Es regnet die ganze Nacht in Strömen. Am anderen Morgen beschließen wir, die 240 km zurückzufahren, so dass wir abends ein zweites Mal Whitehorse erreichen. Gerade rechtzeitig zum Canada Day. Dieser wird in allen Städten mit einer Parade gefeiert, die wir uns natürlich anschauen. Anschließend eine Feier im Stadtpark mit Live Musik und allerlei kulinarischen Köstlichkeiten.

Der Alaska Highway hat uns wieder. Es geht weiter über Carcross nach Atlin, wieder in eine 70 km lange Sackgasse. Wohl ein Dutzend Bären sind uns bisher begegnet, doch so ein tolles Exemplar wie auf dem Weg nach Atlin lässt uns den Atem stocken. Ein ausgewachsener Grizzly seelenruhig beim Pflanzen fressen! Er ignoriert uns völlig. Wir genießen es, mit ihm allein zu sein. Am Ende der Sackgasse schließt sich der Atlin Regional Park an. Es ist Grizzly Land. Nur wenn man in der Park Verwaltung seinen Hikingplan hinterlässt, darf man ihn betreten. Wir beschränken uns auf eine kurze Wanderung zu einer heißen Quelle, die schon den First Nations bekannt und nützlich war.

Check your fuel!

Die nördlichen Rockies begleiten uns noch lange, während sich im Westen die Coast Mountains auftun. So gewaltig habe ich mir diese nicht vorgestellt und ich freue mich schon auf unseren Rückweg, wo wir zwar leider den selben Weg nehmen müssen aber einige Trails in dem Küstengebirge planen.

Mehrere Schwarzbären und einen Grizzly konnten wir bisher beobachten, es stimmt uns allerdings sehr traurig, an einem überfahrenen Jungbären vorbei zu kommen.

Der Cassira Highway führt uns durch große abgebrannte Waldflächen. Wie stumme Zeugen ragen die schwarzen, verkohlten Stämme in den Himmel. Rund 100 Jahre dauert es, bis sich die borealen Wälder von so einem Brand regeneriert haben. Die Kanadier haben eine andere Art mit Waldbränden umzugehen, sie akzeptieren es als unvermeidlich und versuchen das Beste daraus zu machen. Wobei das bei der Massivität der Brände in den letzten Jahren immer schwieriger wird. Uns nervt der ständige Brandgeruch verbunden mit dem blauen Dunst schon seit Tagen. Aber es sollte sich noch steigern…

Watson Lake ist einer der typischen Orte an den Highways, der außer einer Tankstelle und einem kleinen Laden nichts aufregendes zu bieten hat. Doch Watson Lake ist durch seinen skurrilen Schilderwald weltberühmt geworden. Tausende von Reisenden hinterließen hier zehntausende Schilder vom Autokennzeichen über ganze Ortsschilder bis hin zu allem, was irgendwie mit Schildern zu tun hat.

Mittlerweile sind wir im YUKON Territory angekommen. Unvermittelt fällt mir Jack Londons “Alaska Kid” ein, in dem er bei der Beschreibung der Härte des Lebens im Norden immer wieder diesen Fluss in den Mittelpunkt stellt.

Am nächsten Tag erreichen wir Whitehorse. Die mit 30.000 Einwohnern größte Stadt im Yukon. Ein nettes Städtchen mit allen üblichen Einkaufsmöglichkeiten, Cafés und Restaurants. Bevor es noch tiefer in die Wildnis geht, gönnen wir uns abends in einer Bar ein in Whitehorse gebrautes Bier. Die Nachrichtenlage stimmt bedenklich. Zwar sind es noch fast 500 km bis zum Abzweig des Dempster Highways, doch bei Dawson City wüten zwei Brände und der Top of the World Highway, den wir fahren wollen, ist gesperrt. Trotzdem machen wir uns auf den Weg. Der Klondike Highway begleitet uns und wir hoffen, dass die Brände, wie vorausgesagt, weiter eingedämmt werden. Zehn Kilometer hinter Whitehorse erwischt uns ein Steinschlag, der einen 10 cm langen Riss in der Windschutzscheibe hinterlässt. Zurück in Whitehorse finden wir schnell eine Reparaturwerkstatt für Glasbruch und in einer halben Stunde sind wir wieder on the Run.

Nach zwei Tagen ist der Abzweig des Dempster Highways fast erreicht, als wir uns einer Rauchsäule nähern. Direkt am Abzweig befindet sich eine Tankstelle, für die nächsten 370 km die letzte. Auch wenn wir gut 800 km weit kommen, füllen wir zusätzlich unseren Reservekanister auf und reduzieren für die Schotterpiste den Luftdruck auf 3,5 bar. Die Rauchsäule im Westen wird immer bedrohlicher und binnen Minuten sehen wir sogar die ersten Flammen auf einem Hügel lodern. Ohne Zögern nehmen wir den Dempster unter die Räder. Nach zehn Kilometern halten wir für einen Blick zurück und hoffen, dass die Tankstelle verschont bleibt. Zunächst atmen wir erst einmal durch und freuen uns auf einer der “Traumstraßen der Welt” angekommen zu sein. Allerdings wird die Weiterfahrt nach 10 Minuten gestoppt. Östlich von uns wird wieder eine Rauchsäule sichtbar. Spontan entschließen wir uns umzudrehen, in der Hoffnung, nach Dawson durchzukommen. Kurz danach kommt uns ein Wohnmobil entgegen. Es sind die Landsberger, die wir bereits in Whitehorse getroffen haben. Sie überzeugen uns, von der Sinnlosigkeit zurückzufahren, da der Dempster mittlerweile gesperrt ist. Wir drehen erneut um und erreichen nach zwei Stunden unser erstes Ziel auf dem Dempster, den Tombstone National Park Campground.

Was für eine Landschaft am Dempster! Die borealen Wälder werden von der Tundra abgelöst. Am nächsten Morgen erfahren wir, dass Eagle Plains, die nächste Tankstelle, gesperrt ist. Fort McPherson, die Tankstelle danach, erreichen wir mit unserem Dieselvorrat aber locker. Also fahren wir weiter und steuern den nächsten Campground am Engineer Creek an. Leider wird der Zustand des Weges immer schlechter und er soll sich bis Eagle Plains weiter verschlechtern. Klar haben wir davon gewusst und uns dementsprechend vorbereitet. Allerdings konnten wir nicht ahnen, dass die Wartungstrupps die Schäden des Winters noch nicht in Gänze ausgebessert haben.

Vernunft besiegt Abenteuerlust. Die Vernunft hatte mit Lisa eine starke Verbündete und wir entschließen uns, zu Gunsten unseres Womos umzudrehen. In der Parkverwaltung des Tombstones erfahren wir, dass der Dempster momentan geöffnet ist, was aber kein Dauerzustand sein muss. Kurz entschlossen nehmen wir die letzten 80 km unter die Räder und erreichen abends Dawson City. Wir freuen uns, den Dempster mit seinem landschaftlich schönsten Teil heil hinter uns gebracht zu haben. Weiter geht es Richtung Alaska.

Einfach nur riesig…

Alles ist hier riesig: die Entfernungen, die Gebirge, die Landmaschinen, die Farmen, die Highways, die Güterzüge, die LKW, die Malls und – der Nationalstolz der Kanadier.

Tim Horton – eine kanadische Ikone, Eishockey Star und Unternehmer. Er verunglückte 1964 im Alter von 44 Jahren bei einem Autounfall tödlich. Als Gründer der Cafe- und Donutskette – Tim Hortens – kennt ihn und seine Geschichte jedes Kind. Mehr als 6000 Filialen betreibt das Unternehmen in Kanada und den USA. Nirgendwo gibt es einen besseren Kaffee! Und meine “Kaffeetante Lisa” ist empfindlich, was guten Kaffee anbelangt. Das Unternehmen wirbt damit alle 20 Minuten den Kaffee neu zu brühen.

Nach dem Besuch bei Scott fahren wir noch zwei Stunden unserem nächsten Ziel entgegen –  Saskatoon. Wir überqueren den Saskatchewan River, der ein tiefes Tal in die Landschaft gegraben hat, und übernachten direkt am Fluss.

Athabasca, Columbia und Saskatchewan River entspringen in den kanadischen Rocky Mountains im Columbia Icefield, das wir 2017 besuchten. Tausende von Kilometern fließen sie in unterschiedliche Richtungen. Der Athabasca bahnt sich seinen Weg zum arktischen Ozean. Der Saskatchewan Richtung Hudson Bay und der Columbia mündet in den Pazifik.

Wir erreichen die Farm von Jonathan und Teddy, auf der Gerrit 2017 ein halbes Jahr verbracht hat und wir ihn damals besuchten. Es ist nur Niko da, der seit fünf Jahren in Kanada lebt und bei Jonathan arbeitet. Er kommt aus Gunzenhausen bei Augsburg. Wir sitzen noch lange zusammen, ein netter Abend. Am nächsten Morgen treffen wir doch noch Jonathan, es ist Montag und Arbeitsbesprechung mit seinen Mitarbeitern.

Für uns geht es weiter nach Edmonton, das wir nach zwei Tagen erreichen. Im Elk Island National Park kurz vor Edmonton übernachten wir. Am nächsten Tag führt uns ein Trail auf eine Lichtung, wo wir aus nächster Nähe einen der im Park lebenden Bisons beobachten können. Ein beeindruckendes Tier. Edmonton ist Eishockeyverrückt. Die Oilers sind Kult. Außerdem ist es die Öl Hauptstadt Kanadas und dementsprechend wohlhabend. Hier steht die größte Mall auf dem amerikanischen Kontinent. Nur kurz führen wir uns den Konsumtempel samt Eislaufhalle und riesigem Schwimmbad zu Gemüte. Unser ist das nicht aber bei fünf Monaten Winter hier oben braucht man wohl so etwas, um die Bevölkerung bei Laune zu halten. Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz finden wir außerhalb der Stadt eine Destillerie mit angeschlossenem Restaurant. Auf drei Bildschirmen läuft das Eishockey Match Oilers gegen die Florida Panthers. Die Oilers liegen 1:3 hinten, eine Tragödie. Letztendlich gewinnen sie doch noch und das wird ordentlich gefeiert.

Die Waldbrände fordern nun doch ihren Tribut. Der Highway 17 ist voll gesperrt und zwingt uns zu einem 350 km langen zauberhaften Umweg durch die nördlichen Rocky Mountains. Den Jasper Nationalpark haben wir bereits 2017 besucht, aber wir genießen das Wiedersehen. Vor zwei Jahren wüteten um Jasper herum gigantische Waldbrände. Wir sind geschockt, als wir Jasper und die enormen Brandschäden in den umliegenden Wäldern sehen. Wir fahren weiter in den Mount Robsen Nationalpark. Der Mount Robson ist mit 3.954 m der höchste Berg der kanadischen Rockies. Endlich wieder richtige schneebedeckte Berge. Wir laufen den Trail am Fuß des Robsens hoch zum Kinnley Lake, der sich aus dem Gletscher des Berges speist. Überall sprudeln Wasserfälle den Berg hinunter. Eine großartige Kulisse. Der Gipfel des Mount Robsens hüllt sich zwei von drei Tagen in Wolken und diese zwei Tage haben wir leider erwischt.

Wir verlassen die Rockies und werden bald darauf von den Coast Mountains in ihren Bann gezogen. Überrascht von ihrer Weite und Schönheit tauchen auf unserer Fahrt immer neue atemberaubende Eindrücke auf.

Wasser, Wälder, Weizen…

Die Great Lakes sind erreicht. Drei Tage folgen wir der Küstenlinie des Lake Huron, dem fünftgrößten See der Erde. Den Trail am Georges Lake in der Nähe der Stadt Sault St.-Marie brechen wir nach der Hälfte ab, die Mücken überfallen uns. Noch am nächsten Morgen können wir uns nur schwer wehren und ergreifen die Flucht vom Campground. Ab jetzt geht es gen Norden.

Wir entschließen uns den Lake Superior auf der nördlichen, längeren Route zu umfahren. Der auch Oberer See genannte ist der zweitgrößten See der Erde. Wieder fahren wir dem Frühling hinterher, die Birken zeigen erst ein zartes Grün und wir tauchen in die borealen Wälder ein. Der Highway 17 schlängelt sich eng an der Küstenlinie des Superiors entlang mit immer wieder wunderschönen Buchten und Ausblicken auf die scheinbare Unendlichkeit des Sees. Der Verkehr nimmt immer mehr ab. Bis zu einer halben Stunde lang ist niemand hinter uns und es kommt uns niemand entgegen. In Blind River finden wir einen kommunalen Stellplatz direkt am See. Die Infrastruktur für Camper in den meisten Dörfern und Städten ist vorbildlich. Wasser und Entsorgung zu finden, noch dazu oft kostenlos, ist kein Problem.

Wir verfolgen die verheerenden Waldbrände. Es spielt sich zwar weiter im Norden ab. Doch es könnte sein, dass wir auf dem Weg nach Winnipeg über die USA ausweichen müssen.

Kurz vor der Kleinstadt Wawa wandern wir einen Trail, der um den Orphan See führt und uns noch dazu einige Kilometer an einem wunderschönen Küstenabschnitt entlang leitet. Natürlich ist auch hier Bärenland, doch außer Spuren begegnen wir Meister Petz nicht.

Auf dem Weg nach Thunder Bay werden die borealen Naldelwälder dominierend. Sie ziehen sich in einem Band um die gesamte nördliche Hemisphäre. Ihre Bedeutung für das Weltklima ist genauso groß wie die des Amazonas Regenwaldes. Manche Wissenschaftler sprechen den borealen Wäldern sogar eine größere Bedeutung zu.

Über hunderte von Kilometern fahren wir nun durch blauen Dunst. Über welch riesige Flächen sich die Brände ausgeweitet haben, wird uns auf der Fahrt nach Thunder Bay bewusst. Kurz vor der Stadt sehen wir unseren zweiten Black Bear, ein staatliches Tier, dass sich von uns in keinster Weise aus der Ruhe bringen lässt. Solange der Highway 17 nach Winnipeg noch offen ist, entschließen wir uns Kilometer zu fressen und fahren 500 km in einem durch. Soweit sind wir an einem Tag bisher noch nie gefahren. Da Lisa das Womo ebenfalls fährt, wechseln wir uns ab. Völlig entspannt und stressfrei erreichen wir unser Ziel und sind in Manitoba angelangt. Wir übernachten beim Winnipeg Gliding Club. Perry, der während der Saison in seinem Womo auf dem Flugplatz wohnt, zeigt uns stolz die Infrastruktur und die Flugzeuge.

Tausende von Kilometern sind wir durch Wälder und an Seen vorbei gefahren, nun dominiert Farmland unsere Fahrt. Weizen, Mais, Raps mit riesigen Farmen. Winnipeg besichtigen wir am nächsten Tag, wir fahren mit dem Womo hinein in die Stadt. Die Architektur des Museum of Human Rights ist atemberaubend. Die Menschen in der Stadt sind auffällig relaxed drauf, doch fallen uns vermeintlich viele Junkies und andere merkwürdige Gestalten auf – na ja, wie wohl in jeder Großstadt dieser Welt!

Manitoba und Saskatchewan werden zu den Great Plains gezählt und haben landschaftlich nicht viel zu bieten. Die Prärie werden wir zügig durchfahren. Regina in Saskatchewan gelegen ist unser nächstes Ziel. Wir besichtigen Downtown und lassen uns in einem Café ein paar Köstlichkeiten schmecken. Nun machen sich die Brände im Norden von Saskatchewan bemerkbar, blauer Dunst überall.

Wir wollen die Farm von Scott und Cathy, Freunde von Gerrit aus seiner Zeit in Kanada, besuchen. Gerrit hat uns angekündigt und als wir an der Farm ankommen, begrüßt uns Scott herzlich. Als erstes besichtigen wir auf dem nahe gelegenen Flugplatz seine drei Flugzeuge. Insbesondere die PA 36 Pawnee, die als Sprüh- und Düngeflugzeug eingesetzt wird, ist ein Flieger für sich. In Deutschland mittlerweile verboten, ist es in Kanada und USA bei den riesigen Flächen kein Problem. Scott und sein Bruder bewirtschaften ihre 9000 ha Farm! gemeinsam mit 6 Mitarbeitern. Sie sind top ausgestattet und die Farm ist in einem blitzsauberen Zustand.

Weiter geht es für uns von nun an straight north.



Aurevoir Québec, welcome Ontario

Unsere letzte Station in Québec ist Montreal. Genannt nach dem inmitten der Stadt liegenden Mont Royal, einem eher bescheidenen  Hügel.

Ein Nachtquartier finden wir in der Nähe eines kleinem Nationalparks etwa 30 km östlich der Stadt, dem Mount St. Bruno. Ein eher anspruchsloser aber landschaftlich schöner Trail führt uns komplett um den “Bruno” herum. Ebenfalls eher ein Hügel. Am nächsten Tag trauen wir uns mit dem Womo in die Millionenstadt und besuchen den botanischen Garten mit riesigen 75 ha. Besonders beeindrucken uns der japanische, chinesische und der indianische Garten. Tagsdrauf nehmen wir die Metro nach Downtown und bewundern im Montreal Museum of Fine Arts u.a. Gemälde von Picasso, Matisse, Toulouse-Lautrec, Degas und Skulpturen von Roudin. Klar, dass man in Quèbec der französischen Kunst zugeneigt ist. Danach tauchen wir in die Untergrundstadt Montreals ab. Insgesamt 34 km kann man hier unter der Erde durch Downtown bummeln und sich dem Konsum und den kulinarischen Genüssen in Cafés und Restaurants hingeben. Um den Montrealern den harten und langen Winter angenehmer zu gestalten, wurde diese “Stadt unter der Stadt” geschaffen.

Lets Go West Richtung Ottawa heißt es am nächsten Tag. Im Vorort Leitrim finden wir einen ruhigen Übernachtungsplatz an einem Freizeitgelände. Downtown Ottawa erreichen wir am Morgen mit der neu gebauten futuristischen S-Bahn. Die historischen Regierungsgebäude liegen sämtlichst in Downtown auf dem sogenannten Parliament Hill. Vieles ist heute abgesperrt, König Charles ist da und hält die Thronrede. Ottawa hinterlässt bei uns den Eindruck einer charmanten, lebenswerten Stadt. Auf der gegenüberliegenden Seite des St.-Lorenz-Rivers liegt Gatineau eine Kleinstadt mit einem riesigem Park. Lisa geht wandern, ich packe mein Mountainbike aus und drehe eine Runde.

Der Algoquin Nationalpark ist unsere nächste Station. Auf dem Weg dorthin plötzlich ein Warnschild Pferd mit Kutsche und deutliche Spuren am Straßenrand. Gleich kommt mir mein Besuch vor mehr als 30 Jahren bei den Amish People in Pennsylvania in Erinnerung. Es folgt ein Hinweisschild auf einen Hofladen, dem wir folgen. Auf dem Hof begrüßt uns freundlich eine Frau mit Haube und langem, weitem Kleid. Das angebotene Gemüse ist von außergewöhnlicher Qualität. Ich sehe mich auf dem Hof um. Hinter der Scheune läuft eine Pumpe, die offensichtlich die Wasserversorgung sicherstellt. “Sie seien Mennoniten und keine Amish”, wie mir der Hausherr erläutert. Nun gut…

Im Algoquin angekommen, grillen wir am Lagerfeuer leckere Schweinefiletspieße, bevor wir uns den Trail für den nächsten Tag aussuchen. Das Regenwetter am Morgen lässt uns dann Highway-Kilometer machen und die geplanten Trail-Kilometer verschieben. Nach der Besichtigung von Huntsville fahren wir 60 km durch die Wildnis geradewegs zum “Ende der Welt” Kimmney-Bay. Wir genehmigen uns im Hafen the “World Best Fish and Chips” und fahren die 60 km zurück in die Zivilisation. Die Great Lakes warten.

Die Technik


funktioniert soweit gut. Strom liefert die erweiterte Solaranlage mehr als genug. Die Luftfederung bewährt sich bei den oft miserablen Straßen. Alles gut.

Der große Strom

Fast 3000 km fließt der St.-Lorenz-Strom seiner Mündung in den St.-Lorenz-Golf entgegen. Durch die großen Seen teils unter anderem Namen. Ab Quèbec-City übernehmen langsam das Salzwasser sowie die Gezeiten die Oberhand. In Rivérie du Loup nehmen wir die Fähre an das Nordufer. Die 80-minütige Überfahrt ist heftig, das Wetter verschlechtert sich zunehmend.

Es regnet drei Tage fast ununterbrochen. Von der Landschaft der Charlevoix und dem Nationalpark Grand-Jardin sehen wir leider nicht viel. Wir entschließen uns, lieber gleich Quèbec-City anzusteuern. Auf dem Weg dorthin sehen wir uns noch ein besonderes Naturschauspiel  an – die Montmorency Fälle. Zwar sind diese bei weitem nicht so breit wie die Niagara Fälle aber mit 83 m Fallhöhe 30 m höher als ihr großer Bruder bei Toronto.

Die Welterbe Stadt Québec-City bringt wohl am meisten von Europa nach Nordamerika. Klein Paris wird diese wegen ihrer französischen Sprache und Lebensart genannt. Die auf einem Hochplateau thronende Stadt besitzt die einzige komplett erhaltene Stadtmauer Amerikas. Am berühmtesten ist wohl das alles überragende Luxushotel Frontenac in der Haute-Ville mit der Terrasse Dufferin, über die man in die Zitadelle gelangt. Die Altstadt hat wirklich einen eigenen Charme. Überall begegnet man dem Nationalstolz der Frankokanadier, die in ihrem Herzen doch eher Franzosen sind. Einiges fällt uns noch auf in der Provinz Quebec: Deutlich weniger SUV und Pick-Up sieht man auf den Straßen und diese sind deutlich besser als in den bisher bereisten Provinzen. Die Menschen sind bei weitem sportlicher und schlanker, was wohl zum einen an der besseren Ernährung und zum anderen an dem ausgewogeneren Warenangebot liegt.

Autofahren in Kanada

Allenthalben entspannt und voller Respekt. Die Straßen sind in 9 Kategorien eingeteilt, wobei 9 Schotter bedeutet. Die Straßenzustände teils auch auf den Highways sind oft miserabel. Das Vorankommen allerdings ist Top und nicht mit deutschen Autobahnen zu vergleichen. Stellt man den Tempomat auf 110 und fährt zwei Stunden ist man mindestens 190 km weiter. Alles fließt… An die 100 km/h Begrenzung hält sich niemand, selbst die LKW fahren grundsätzlich 110.

Auf der Chemin de Roy (Königsweg), die am Nordufer des St.-Lorenz-Stromes Ouébec-City mit Montreal verbindet, bummeln wir durch eine reizvolle Landschaft. Die Chemin wurde 1783 fertiggestellt und sollte die Städte am Strom verbinden. Wir biegen kurz vor Trois-Rivéries in Richtung Norden ab und erreichen den La-Maurice Nationalpark. Eine Bergtour zum Lac de Solitaire belohnt uns mit tollen Ausblicken auf den See. Auf dem Weg nach Montreal nehmen wir einen kleinen Umweg in Kauf und steuern einen Segelflugplatz in Saint-Dominique an. Leider ist kein Flugwetter. Nette Gespräche mit den anwesenden Mitgliedern folgen, die Einladung am Platz zu übernachten, nehmen wir gern an.