On the Rocks

Wir verlassen Vancouver Island. Von Sydney nach Tsawassen führt die Fährfahrt durch die vorgelagerten Inseln von Vancouver. In der Ferne wird der Mount Baker sichtbar. Ein erloschener Vulkan mit über 3200 m Höhe und schneebedecktem Gipfel. Noch einmal sehen wir Vancouver in seiner außergewöhnlichen Lage, diesmal vom Meer aus. In der Ferne erscheinen die Rockies, eine tolle Szenerie. Südlich an Vancouver vorbei treffen wir wieder auf den Trans Canada Highway (TCH), der uns in die Rocky Mountains führt – “on the Rocks”.

An den Kleinstädten Hope und Merrit vorbei, erleben wir unsere heißesten Tage mit 38°C. Wir passieren völlig ausgetrocknetes Farmland. Lediglich 250 mm Niederschlag fällt hier pro Jahr. Viele Farmer haben bereits aufgegeben. Überall steht Farmland zum Verkauf. Die vom Pazifik heranströmenden Luftmassen regnen sich entweder schon an den Coast Mountains ab oder an den nahen Rockies. Der durch den Klimawandel fehlende Schneefall verstärkt das Problem noch. Erst hinter Kammlops wird es wieder grüner.

Auf unserer Reise 2017 durch die kanadischen Rockies konnten wir den kanadischen Glacier Nationalpark aus Zeitmangel nicht besuchen, was wir nun nachholen. Bis zu 9 m Schnee fallen in diesen Bergen. Doch auch diese Schneemassen können den Schwund der Gletscher nicht verhindern. Über 140 davon beheimatet der Park, von denen allerdings kaum mehr etwas zu sehen ist. Man muss schon in das Hinterland wandern. Wir steigen zum Illecillewaet Gletscher auf, wo uns leider heftiger Regen zum schnellen Abstieg zwingt. Abends erreichen wir Revelstoke. Der Mount Revelstoke gilt als Wildblumen Paradies. Ein leichter Trail führt in die Gipfelregion, wo die Blütenteppiche in allen Farben schillern. Typisch für die Wetterlage kündigt sich von Osten ein Gewitter an, das uns frühzeitig zum Rückzug zwingt. Den Abend genießen wir in Revelstoke, gehen essen und lauschen der dargebotenen Country Live Musik. Über den Rogers Pass geht es am nächsten Tag weiter. Über den Pass führt eine Schienentrasse, durch die kanadische  Eisenbahngeschichte geschrieben wurde. Obwohl man 1988 wegen der Witterungsverhältnisse den Pass durch den Mount MacDonald Tunnel umging. Mit 14,7 km ist es der längste Eisenbahntunnel Nordamerikas.

Die Purcell Montains und der Columbia River begleiten uns auf der Weiterfahrt nach Süden. In der Kleinstadt Invermere bleiben wir zwei Tage und stellen fest, dass es viele Deutsche, Schweizer und Österreicher hierher verschlagen hat. Einen deutschen Bäcker, der seit den 60er Jahren in Invermere ansässig ist, sowie einen Metzger findet man ebenfalls. Wir fahren hoch in die Purcell Mountains und nehmen den Trail zum Toby Creek. Es soll sich eine Grizzly Mama mit zwei Kleinen in der Region herumtreiben, so dass wir nicht zu tief in die Wildnis eintauchen und uns frühzeitig auf den Rückweg machen. Am nächsten Tag nimmt Lisa den Sessellift auf den Panorama Mountain und wandert ein wenig in der Gipfelregion, während ich den Conachy Creek Trail zur Bergstation der Seilbahn hinauf steige.

Der örtliche Segelflugverein von Invermere verleiht laut ihrer Webseite Segelflugzeuge. Auf dem Flugplatz treffen wir auf drei Mitglieder. Enttäuscht müssen wir aber feststellen, dass sie keinen Flugbetrieb zustande bringen, so dass wir wenig erfreut weiterziehen.

Bevor wir den Crowsnest Pass hinauffahren, kommen wir an “Frank Slide” vorbei. 82 Mio. m³ Berg sind hier 1903 abgebrochen und ins Tal gestürzt. Das Dorf Frank wurde zum Grab für 68 Menschen, die nie geborgen wurden. Auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit bekommen wir einen Geheimtipp. Einen Campground, der nirgendwo verzeichnet, aber ein wenig trickreich zu erreichen ist. Wir wagen die Fahrt und werden mit einem sehr schönen Platz an einem See belohnt.

Die Waterton Mountains an der Grenze zu den USA sind von mehreren Waldbränden in den letzten Jahren gezeichnet. Wie nachhaltig solche Katastrophen aus Teilen eines Naturparadies eine Ödnis machen können, erleben wir hier. Den Trail, den wir wandern wollten, gibt es nicht mehr! Wir passieren die Grenze zur USA. Mit seinem südlichen Nachbarn, dem Glacier Nationalpark der USA bildet der Waterton Lakes Nationalpark den International Peace Park. Gemeinsam sind sie Teil des UNESCO Weltnaturerbes.

Die 80 km lange Hochgebirgsstraße Going-to-the-Sun-Road durchquert den Glacier Park spektakulär. Wegen überhängender Felsen und engsten Straßenverhältnissen sind nur Fahrzeuge unter 21 Fuß Länge und 8 Fuß Breite zugelassen. 8 Fuß schaffen wir, länger als 21 Fuß sind wir allerdings!? Ob wir es gewagt haben, erfährt ihr demnächst…

Reif für die Insel

Wir nähern uns Whistler, dem Wintersportort in den Coast Mountains. Es sind Ferien. Whistler hat es geschafft, indem alles aufs Mountainbiking und Bergwandern ausgerichtet ist, während des Sommers im Geschäft zu bleiben. Die Touristenmassen fluten die Stadt. Wir beschließen, die Seilbahn bis zur Mittelstation zu nehmen. Die 400 hm bis zum Gipfel auf 2.640 m bewältigen wir auf einem eher langweiligem Trail. Allerdings erwarten uns tolle Ausblicke weit über die Whistler Mountains hinaus. Bergseen, Gletscher und Berge in allen Schattierungen. Am Abend fahren wir hoch zum Olympiagelände, wo 2010 die Biathlonwettbewerbe stattfanden. Der Parkplatz bietet eine ruhige Übernachtungsmöglichkeit. Spät besucht uns noch ein Schwarzbär, der seelenruhig das Gelände durchstreift.

Bevor wir Vancouver erreichen, übernachten wir in Sqamish auf einem bemerkenswerten Campground. Eingebettet in einen tropisch anmutenden Küstenregenwald hat man ihn naturbelassen. In Vancouver steuern wir einen stadtnahen Campground an, von dem aus Downtown per S-Bahn erreichbar ist. Kanadas Metropole an der Pazifikküste gilt als eine der grünsten und schönsten Städte Nordamerikas und besticht mit ihrer einzigartigen Lage am Pazifik zu Füßen der imposanten North Shore Mountains. Regelmäßig erreicht sie im Ranking der lebenswertesten Städte der Welt Spitzenplätze. Unser Eindruck ist ein wenig gespalten. Jeder Stadtteil besitzt sein eigenes kleines Downtown mit vielen Hochhäusern. Dazwischen viel Grün, so dass die Stadt eher wie ein Konglomerat aus mehreren Städten wirkt. Der außergewöhnlichen Lage aber tut das keinen Abbruch. Mittlerweile besteht die Bevölkerung Vancouvers zu 65% aus Chinesen. Viele Schilder, Hinweise, Speisekarten etc. sind zusätzlich in chinesischer Sprache gehalten.

Wir besichtigen die Waterfront und den Stadtteil Gastown mit seinen viktorianischen Gebäuden und der legendären Dampfuhr. Lange beobachten wir das Treiben im Hafen, insbesondere die Wasserflugzeuge. Es ist bemerkenswert, wie der Hafenverkehr mit den startenden und landenden Flugzeugen, dazwischen Fähren, Schiffe und Boote, ohne koordinierende Stelle funktioniert. In Deutschland wäre dies wohl undenkbar.

Am nächsten Tag bringt uns die Abendfähre hinüber nach Vancouver Island. 450 km lang und bis zu 140 km breit mit einer Küstenlinie von 3440 km erstreckt sich die Insel 50 km vor der Küste Vancouvers im Pazifik. Bis zu 2.150 m hoch durchziehen Gebirgszüge, mit Bergseen, Gletschern und Wasserfällen die Insel. Warme regenarme Sommer und milde Winter kennzeichnen das Klima. Dabei können an der Westküste 3.000 mm Regen pro Jahr fallen. Dies wiederum bildet die Grundlage für die außergewöhnliche Vegetation der fast undurchdringlichen Regenwälder.

Wir beschließen, durch den Pazifik Rim Nationalpark zunächst an die Westküste zu fahren. Etwa auf halber Strecke besichtigen wir Cathedral Grove mit den mächtigsten Baumriesen der Insel. Bis 800 Jahre alte Riesenlebensbäume, Douglasien und Hemlocktannen füllen den Regenwald. Die größte Douglasie misst 80 m Höhe und einen Umfang von 9 m. Wirklich beeindruckend! An der Westküste besuchen wir die Kleinstadt Ucluelet kurz Ukee genannt. Der Wild Coast Trail führt uns zwischen windgebeugter Vegetation und grandioser Felskulisse bis Artist Loops. Auf dem 10 km langen Sandstrand verlieren sich selbst in der Hochsaison die Menschen. Zurück in Ukee finden wir einen Parkplatz zum Übernachten nahe einer Bar, in der wir essen. Die tolle Stimmung wird durch Live Musik dreier Gitarristen untermalt. Am nächsten Morgen meint Lisa, sie sehe aus wie eine Vogelscheuche und benötige einen Frisör. Es fällt mir schwer, dem zu widersprechen.

Tofino, unsere nächste Station an der Westküste, gilt als Surfparadies und Touristenhochburg. Schon die Parkplatzsuche in dem 2.500 Seelen Ort ist chaotisch. Wir halten uns in der überfüllten Stadt nicht lange auf und nehmen Kurs zurück an die Ostküste. Der Parkplatz an Tofinos kleinem Flughafen bietet eine ruhige Übernachtungsmöglichkeit. Lisa unternimmt gerade einen kleinen Abendspaziergang als plötzlich mein Handy klingelt. “Da ist ein Bär am Waldrand!”, höre ich Lisa. Als ich aus dem Wohnmobil komme, sehe ich den Bären wie er langsam im Wald verschwindet. Wir sind uns einig, dass es ein Grizzly war, von denen es nur sehr wenige auf der Insel gibt und wir das Riesenglück hatten, einen zu Gesicht zu bekommen.

Mount Washington im Strathcon Nationalpark steuern wir als nächstes an. Lisa fährt mit dem Sessellift auf den Gipfel, während ich auf einem Trail nach oben steige. Was für ein grandioser Ausblick erwartet uns! Der Pazifik und die schneebedeckten Coast Mountains im Osten. Die Island Range mit ebenfalls schneebedeckten Gipfeln im Westen. Auf einem ruhigen Campground im Nationalpark besichtigen wir eine Fischleiter und sehen die ersten Lachse aus dem Pazifik in ihre Laichgründe an den Oberläufen der Flüsse schwimmen, wo die Bären schon auf sie warten.

An der Ostküste entlang fahren wir nach Viktoria, das am südlichen Zipfel der Insel liegt. Der Name erinnert an die britische Königin, die Architektur und die roten Doppeldeckerbusse an London. Rund um den Hafen herrscht geschäftiges Treiben. Das wohl auffälligste Gebäude ist das Parlament der Provinz British Columbias, deren Hauptstadt Viktoria ist. Im Gegensatz zu Vancouver hat sich Viktoria in Downtown die vielen viktorianischen Gebäude bewahrt, was die Stadt irgendwie gemütlich macht. Chinatown ist allerdings mit vielen anderen Chinatowns austauschbar und für uns weniger interessant.

Noch einmal geht es an die Westküste nach Port Renfrew. Der Regenwald hat es uns angetan, so dass wir diesen noch einmal auf der Fahrt nach Lake Cowichan geniessen. Im gleichnamigen Ort finden wir einen Schlafplatz auf dem Parkplatz des Sportgeländes. Morgens um 5 Uhr werden wir durch ein Geräusch unsanft geweckt. Die Beregnung des Rasenplatzes hat sich automatisch eingeschaltet und eine Regendüse ist falsch eingestellt. Dieser erwischt uns voll. Nun ja, kostenlose Übernachtung inklusive Autowäsche!